Grappa… Am Donnerstag stehe ich bei meinem Italiener, warte auf Gorgonzola-Nudeln to go, schaue mit einem halben Auge auf das Schalke-Spiel, als mich eine ungeheure Lust nach einem Grappa überfällt…
»Ach bitte, geben Sie mir doch einen doppelten Grappa«, bitte ich den Mann am Tresen. »Welchen?« will er wissen und aus Angst, zuviel Geld ausgeben zu müssen, sage ich »A la casa!« Der Signore hinterm Tresen nimmt ein Grappaglas, greift sich eine Flasche hinter ihm und stolpert wohl über seine Gedanken. Dann zwinkert er mir zu und flüstert: »A la casa? Ich gebe richtigen Grappa. Aber nix dem Chef sagen.« Er geht zu der Vitrine zu seiner Rechten, in der offenbar Kostbarkeiten lagern und stellt mir eine ordentliche Portion auf den Tisch. Das Getränk ist wirklich nicht zu vergleichen mit einem Hausgrappa! Dann geht er wieder seiner Arbeit nach und verschwindet bald darauf im Vorratskeller.
Das sieht der Kellner, kommt zu mir, stößt freundschaftlich gegen meine Schulter und sagt: »A la casa? Der Kollege hat keine Ahnung, was ein richtiger Grappa ist.« Er geht zur Vitrine schüttet mir eine ordentliche Portion des eben genossenen vorzüglichen Schnaps ein und verschwindet mit einem lauten und ehrlichen Salute.
Mittlerweile – meine Getränke habe ich mit Zufriedenheit vernichtet – kommt der Chef aus der Küche mit meinem Essen. Zu meiner Rechnung stellt er mir ein Glas Grappa auf den Tisch: »A la Casa? Der Kollege weiß nicht, was gut ist. Dieser hier ist aus der Vitrine und wirklich etwas Besonderes.«
Ich trinke, nein, ich kippe den Grappa, lobe den Mann für seinen guten Geschmack, zahle und vergesse auch nicht, ein angemessenes Trinkgeld zu geben. Dann wanke ich hinaus.
Draußen vor der Tür schüttele ich verdutzt und vergnügt den Kopf. Soviel Aufmerksamkeit war ich wirklich nicht gewohnt. Und wenn vom heutigen Tage an irgendwann mir irgendjemand etwas von der Servicewüste Deutschland erzählen möchte, dann werde ich ihm von dieser kleinen Begebenheit erzählen.