Mein Bär war meine erste Liebe. Ich bekam ihn geschenkt vermutlich an Weihnachten 1963 und wer auch immer ihm den Namen gab, der dicke Braune hieß von Stunde an Ajax. Im Haus beobachtete er jeden meiner Schritte. Im Bett lag er neben mir, beim Essen saß er vor mir, auch beim wöchentlichen Bad hockte er auf der Wannenkante und bekam den ein oder anderen unfreiwilligen Spritzer ab. Selbst einen Sturz in die Fluten nahm er mit stoischer Ruhe hin, obwohl dieses eine Mal fatale Folgen für ihn hatte.
Alle Artikel von Dennis Hasemann
Mein Dezember, Teil 24
Jutta B. ist in unserem Haus die Frau mit der größten Lebenserfahrung. Im November wurde sie neunzig Jahre alt. Mein letzter Gang an jedem Morgen, bevor ich das Haus verlasse, ist mit einem Becher Kaffee in der einen Hand und der Tageszeitung in der anderen die Treppe hinunter, hinein in das kleine Wohnzimmer, indem sie mich jeden Tag erwartet. Wir sitzen dann zusammen und reden miteinander. Das heißt, eigentlich redet sie, kommentiert die neuesten Nachrichten, erfreut sich an Lyrik und wenn jemand verreist, hat sie einen aufgeschlagenen Atlas vor sich – schließlich muss man ja informiert sein. Ab und an erzählt sie Begebenheiten von Früher. Das macht sie nicht häufig, schließlich möchte sie niemanden nötigen.
Mein Dezember, Teil 23
Die Kleinen haben mir eine große Freude gemacht in diesem Advent. Dabei hatte ich Erzgebirgsfiguren noch nie wirklich beachtet. Erst die schöne Weihnachtsgeschichte von Arnd Brummer, die wir in den letzten Tagen sage und schreibe zweieinhalbtausend Mal (alle in Weihnachtspapier eingepackt von Julia und wer sonst noch so eben Zeit hatte! DANKE!) an Freunde und Kunden verschenkt haben, brachte mir das himmlische Orchester etwas näher.
Mein Dezember, Teil 22
Was dem Ganzen vorausging, weiß ich nicht mehr.
Vielleicht waren alle ausverkauft, vielleicht konnte man sich nicht einigen, vielleicht waren sie zu groß, zu klein, zu krumm, vielleicht wurde er auch schlicht und einfach vergessen… Jedenfalls standen wir am Morgen des 24. Dezembers ohne Weihnachtsbaum da. Das ging gar nicht – zumindest darin waren wir uns einig! Doch was nun?
Mein Dezember, Teil 21
Wenn die Kundin nicht eine honorige Juristin wäre, würde ich ihr glauben?
Tatsache ist, sie steht an unserer Ladentheke und möchte ein Buch abholen – ein mehrkiloschweres Pons-Wörterbuch Italienisch-Deutsch/Deutsch-Italienisch. Oh, ob sie einen Italienischkurs an der Volkshochschule belegen möchte, frage ich sie und füge an, wenn sie den Inhalt des Buches beherrsche, könne sie mehr als jeder Italiener. Die Dame geht auf meinen kleinen Scherz nicht ein sondern erklärt mir zunächst, wenn überhaupt noch ein Wörterbuch, dann hätte das bis in alle Ewigkeit die Farbe Grün und nie wieder Gelb. Das musste seinen Grund haben, dachte ich mir und forderte sie mit meinem Schweigen auf, doch mit ihrer Geschichte fortzufahren.
Mein Dezember, Teil 20
He, euch ist ein Kind geboren, höre ich Eugenie Herdmann sagen. Als Engel verkleidet scheint sie sich zu entrüsten. Wie kann man nur – wenn auch lediglich in einem Krippenspiel – mit einem der größten Wunder des Lebens so beiläufig umgehen, wird sie sich denken und setzt noch einmal nach: HE, EUCH IST EIN KIND GEBOREN!
Mein Dezember, Teil 19
Kalorien
Die Kollegin platzt in meine Überlegungen, was zu Schreiben sei an diesem 19. Dezember. Gerade saßen wir zusammen und warfen Ideen in einen Pool: eine Tannenbaumgeschichte (aber hatten wir nicht gestern erst eine)? Eine Weihnachtsfeierstory (am besten die, bei der der Kollege nachts am Klinikum in einen Tannenbaum gefallen ist und höflich gegrüßt hat)? Die Geschichte eines Leberhakens (Sambuca gemixt mit Jägermeister) nach einer Weihnachtsfeier? Genau in dieser Sekunde kommt Kollegin Schwamborn in die kleine Küche über der Buchhandlung und bringt warmen Mohnkuchen von der Nachbarin – damit wir nicht vom Fleische fallen.
Mein Dezember, Teil 18
Tannenbaum I
Mein Tannenbaum misst fünfzehn Zentimeter. Vom ersten Advent bis zu den Heiligen Drei Königen steht er bei uns auf dem Küchentisch. Ich erfreue mich jeden Tag aufs Neue. Dabei ist der kleine Baum sehr unscheinbar.
Mein Dezember, Teil 17
Essen? Essen!
Bei der Auswahl nach dem richtigen und passenden Weihnachtsessen sind demokratische Strukturen in einem Haushalt oft hinderlich. Fondue, sagt die eine. Nein, danke, lieber Raclette, sagt die andere. Das Wort Spaghetti höre ich und zucke zusammen und eine Suppe vorneweg ist ja ok, aber doch bitte keine Käse-Lauch-Suppe. Lamm ist wirklich was Feines, ertönt es, um gleich mit einem ‚Ich mag kein Lamm‘ niedergemetzelt zu werden. Eine ganze Gans ist deutlich zu viel und überhaupt, da jeder vermutet, dass ich kochen werde, ist ein solcher Vogel auch deutlich zu riskant in der Zubereitung. Nur in einem sind sich alle einig: Bloß keine Ente!
Mein Dezember, Teil 16
In der Weihnachtsbäckerei
Als Dennis vor ein paar Tagen über seine beiden Omas schrieb, stimmte mich das richtig traurig. Ebenso wie er bin ich ein Oma-Kind und jedes Jahr zur Weihnachtszeit stellte sich mir die gleiche Frage: Was schenkt man einer alten Dame, die wirklich alles hat und von sich selbst sagt, dass sie glücklich und zufrieden ist, solange ihr das Essen schmeckt?