War es wirklich so schlimm? Manchmal kann man mir nichts recht machen. Das passiert nicht oft. Ab und an aber schon. Als ich vierzehn Jahre alt war zum Beispiel, gab es ein Wochenende im Juni, an dem meine Gefühle Achterbahn gefahren sind. Ich kann mich nicht nur deshalb so gut daran erinnern, weil an dem Samstagabend Deutschland gegen Deutschland spielte und ich nur eine Halbzeit zuschauen durfte. (Das entscheidende Tor durch einen gewissen Herrn Sparwasser verpasste ich natürlich, hörte stattdessen nur das laute Aufstöhnen der restlichen fußballbegeisterten Famile aus dem benachbarten Wohnzimmer).
Die Geschichte war aber eigentlich eine andere…
Mein Onkel hatte meinem jüngeren Bruder Georg und mir versprochen zum Autorennen nach Zandvoort zu fahren. Holland, Formel I, Niki Lauda, wir waren begeistert. Eine Woche vorher teilte er uns allerdings mit, die Fahrt könne ins Wasser fallen. Unsere Tante wäre ins Krankenhaus gekommen. Nichts Ernstes, aber er wisse nicht, ob Sie rechtzeitig die Klinik wieder verlassen könne und ohne seine Frau wolle er nicht fahren.
»Aber das macht doch nichts«, meinte mein Vater. »Wenn Holland nichts wird, kommt ihr eben mit zu Tante Grete!«
Nichts gegen die damals wahrscheinlich schon achtzigjährige Tante Grete, aber wir sahen uns schon auf einen sonntäglichen Supergau mit Zweizimmeraltbauwohnung, Sahnetorte und Daumendrehen zusteuern. Mal ganz abgesehen davon, dass Tante Grete eine Angewohnheit hatte, die sie mit vielen Frauen ihrer Generation teilte, nämlich mit einem Spucke getränktem Taschentuch in Kindergesichter rumputzen und Schokoladenreste oder was auch immer aus Mundwinkeln entfernen.
Aber wir hatten Glück. Die Formel I-Tante verließ pünktlich die Klinik und wenige Stunden nach der bundesdeutschen 1:0-Niederlage gegen unsere sozialistischen Brüder wurden wir abgeholt und fuhren zum Großen Preis der Niederlande. Es war einer der aufregendsten Tage meiner Kindheit. Blieb mir und Tante Grete Gottseidank eine Körperhaltung erspart, die der des Jungen auf dem Foto doch sehr geglichen hätte.