Das Foto zum Wochenende und seine Geschicht


Einsam… Mein Freund besitzt ein Haus in Schweden. Es liegt an einer Landstraße zwischen Karlanda und Koppom. Das bedeutet, alle paar Minuten hört man ein Auto mit leisem Rauschen vorüberziehen. Die LKWs – besonders die schweren Holztransporter – sind ein klein wenig lauter. Da sie aber nur selten fahren, stört das ebenfalls nur wenig. Oberhalb des Hauses, mitten im Wald haben sich Lilian und Jerry vor vielen Jahren ein Stück Land gerodet und ein Holzhaus gebaut. Die beiden sind sehr, sehr naturverbunden, von Lilian wird sogar behauptet, nicht einmal der scheue Luchs würde Reißaus nehmen, wenn er die alte Dame im Wald erspäht.


Viele Male habe ich das alte Ehepaar besucht, besonders Jerry freut sich auf Gäste aus Deutschland, hat er doch vor bald 60 Jahren seine Heimat Schwaben verlassen und nach langen Jahren auf See seine Heimat bei Lilian in Schweden gefunden.
Einmal fragte er mich, ob ich nicht vielleicht mal an einen etwas ruhigeren Ort möchte. Ich konnte mir kaum vorstellen, was er damit meinte, hörte ich doch bei ihm vor der Haustür meine kleinen eigenen Ohrgeräusche, zwei verschieden helle Frequenzen, die mir in Essen noch gar nicht aufgefallen waren, sonst aber nichts. Ich willigte ein. Tags drauf holte er mich mit seinem alten Saab ab. Wir fuhren zunächst durch den kleinen Ort Koppom, bogen dann rechts auf eine Schotterstraße, folgten ihr vielleicht sechs Kilometer und fuhren dann noch einmal die gleiche Strecke auf einem Weg westwärts, der nicht einmal geschottert war, bis wir an einen kleinen See kamen. Am Ufer lagen zwei angetäute Aluminiumwannen. Jerry öffnete den Kofferraum, wuchtete einen Außenborder heraus, wir stiegen in eines der Boote und setzten über den See. Am anderen Ufer wartete zwanzig Minuten später ein kleines Haus. Bis hierher hatte Jerry nicht viel gesprochen, jetzt aber stand er in seinem Kahn, breitete seine Hände aus und meinte leise: »Das ist unser Sommerhaus. Hier sind Lilli und ich so oft wir können. Hier ist es ruhig.«
Was für eine Untertreibung… Man hörte wirklich keine Zivilisation. Ein paar Grillen, sirrende Insekten, ab und an der Schrei eines Habichts und einmal sogar das Schlagen einer Biberflosse. Das war’s. An zwei Biberburgen waren wir tatsächlich vorbeigeglitten und haufenweise Beweise für die Anwesenheit des Nagers fanden wir auch an Land: In der Nähe des Hauses waren bestimmt ein Dutzend junger Birken fachmännisch gefällt.
Jahre später besuchte ich diesen Ort noch einmal. Diesmal im Februar und diesmal ruhte selbst die Natur. Lediglich das Knirschen des Schnees unter meinen Stiefeln und mein leise keuchender Atem beim ehrfürchtigen Überqueren des Sees. Und was für eine heimliche Freude und Erleichterung als ich endlich das andere Ufer erreichte.