Jesus auf dem Schrottplatz… Zu jeder Lederhose, die ich als Kind bekam, schenkte die Oma einen Christophorus-Anhänger. »Damit er dich beschützt,« sagte sie und befestigte ihn an einer Gürtelschlaufe. Von Stunde an war Christophorus, der das Jesuskind auf dem Arm durch einen Fluss, trug mein Begleiter und Beschützer. Und? Ich hatte Glück in meinen jungen Jahren. Nie kam ich unters Auto, kein Blitz traf mich und als ich einmal im Herbst beim Versuch, Kastanien aus ihrem Baum zu schütteln, buchstäblich abschmierte, trug ich wohl einige Schrammen davon, aber – immerhin – es war nichts gebrochen.
Auf meiner Wanderung über die Alpen fehlte mir wohl ein solcher Talisman, trotzdem hatte ich den Eindruck, das ein oder andere Mal hielt jemand seine schützende Hand über mich. Immer, wenn ich den Weg nicht fand, stand eine freundliche ätere Dame neben mir und erklärte ihn mir (es waren tatsächlich immer ältere Frauen), rechtzeitig wurde ich vor Tücken auf der Strecke gewarnt, Alternativrouten gleich mitgeliefert. Und als ich einige Kilometer vor Trento nach stundenlangem Dauerregen völlig durchnässt an einer Schnellstraße stand und nicht mehr weiter wollte, hielt genau an der Stelle ein Linienbus. Der Fahrer nickte nur kurz und ließ mich einsteigen. Nicht einmal Geld wollte er für die Fahrt ins Zentrum. Dort drückte mir der Portier eines kleinen Hotels gleich einen Schlüssel in die Hand, obwohl ihm klar sein musste, dass ich mit Betreten des Gästezimmers sofort den Raum unter Wasser setzten würde. Ich hatte wirklich Glück.
Tags drauf verließ ich Trento über eine Radtrasse und kam nach einigen Stunden an einem Schrottplatz vorbei. Zwischen all dem Gerümpel ragte dort Jesus in Gestalt einer drei Meter hohen Plastik-Statue heraus. Mit ausgebreiteten Armen, bildete ich mir ein, hätte er lange auf mich gewartet. Ob es Neugier war oder das minutenlange Innehalten einen tieferen Grund hatte: Jedenfalls murmelte ich ein kaum hörbares DANKE als ich mich endlich wieder auf den Weg machte. Das war doch das Mindeste…