Abendfrieden… Seit gut zwei Jahren habe ich eine neue Freundin. Sie wohnt eine Treppe unter mir und jeden Morgen, kurz bevor ich aus dem Haus gehe, fülle ich mir einen Becher Kaffee, gehe die zehn Stufen hinunter und bringe ihr die NRZ. Wir sitzen dann ein wenig zusammen, tauschen Neuigkeiten aus und reden über Gott, die Welt und alles, was dazwischen zu finden ist. Obwohl fast neunzig, ist die alte Dame immer noch sehr, sehr neugierig. Die Frage nach ihrem Befinden beantwortet sie immer mit einem überzeugenden »Ich bin zufrieden«.
Irgendwann drückte ich ihr die Sammlung »Das schönste Deutsche Wort« aus dem Hueber Verlag in die Hand und seitdem unterhalten wir uns hier und da über Kuriositäten der Deutschen Sprache. Über den sich selbst auflösenden Begriff Doppelhaushälfte zum Beispiel oder das witzige Wort Rhabarbermarmelade. Auch über Augenblicke redeten wir und über Habseligkeiten.
Heute morgen hatte ich wenig Zeit. Ich trank meinen Kaffee schneller als sonst. Im Hinausgehen hielt Sie mich fest und flüsterte: »Mein schönstes Wort habe ich auch gefunden: Abendfrieden. Ist das nicht schön?«
»Ja!« antwortete ich und rede mir seitdem ein, es habe nichts zu bedeuten. Ein mulmiges Gefühl bleibt trotzdem.