Noch nie hatte ich erlebt, wie dicht Freude und Kummer beieinander liegen können… Vielleicht ist es ein Jahr her, dass meine Englischlehrerin aus Kindertagen in unserer kleinen Buchhändlerküche hockte und mir vom späten Glück der Liebe vorschwärmte, in Tönen und mit Vokabeln, die man bei einer Frau mitte sechzig nicht erwartete. Nur vierzehn Tage später saß sie an der selben Stelle und berichtete mir von der schweren Krankheit ihrer Tochter.
Ich saß nur da, ließ sie reden, stellte ein paar Fragen und hielt ihre Tränen aus. Sie, die egal was das Leben mit ihr gemacht hatte, positiv dachte, sie, die immer laut lachend erzählte, sie habe ein Hyperaktiv-Gen und immer würde alles gut, war plötzlich stumm und ratlos. Zum Abschied umarmten wir uns, ich drückte ihr die Hand und stammelte so einen Schwachsinn wie »wird schon wieder« oder »Kopf hoch«. Beides war mehr als unangemessen.
Ich war ihr recht nah in dem darauffolgenden Jahr. Wir telefonierten, ich schrieb ihr, manchmal hing ich meinen Gedanken hinterher. Nur gesehen haben wir uns nie wieder. In der letzten Woche ist sie gestorben. Plötzlich, leise und natürlich viel zu früh.
Was bleibt, sind Erinnerungen an eine gemeinsame Schulzeit, wenn auch in verschiedenen Lagern und der große Wunsch, wenigstens ihre Tochter möge es doch schaffen und das erreichen, was sie der Mutter in die Hand hinein versprochen hat: wieder gesund werden.